Podiumsdiskussion in der Barfüßerkirche

Dienstag, 11. September 2018

Rang und Zustand, Gestalt und Perspektiven der Barfüßerkirche


Ein Beitrag von Richard Schaefer

Am 3. September 2018 trafen sich auf Einladung des Initiativkreises Barfüßerkirche der Chef der Thüringer Staatskanzlei und Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten des Freistaates Thüringen, Benjamin Immanuel Hoff, der Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein und der inzwischen in Ruhestand befindliche langjährige Leiter der Denkmalpflege in Görlitz, Peter Mitsching, zum Podiumsgespräch.

Moderator Richard Schaefer faßt die Positionen und Ergebnisse des Gesprächsabends zusammen.

 

Veröffentlicht in fioretti – Schriften des Initiativkreises Barfüßerkirche Erfurt, Heft 1, 2018

Rang und Zustand der Barfüßerkirche sind das Ergebnis von achthundert Jahren Erfurter, deutscher und europäischer Geschichte. Die Kirche genießt die Anerkennung als national bedeutsames Bauwerk und ist die letzte Kriegsruine der Thüringer Landeshauptstadt. Der aktuelle Zustand der Kirche und ihre derzeitige Nutzung als Spielstätte für das Sommertheater sowie den Fairen Adventsmarkt und Veranstaltungen des Initiativkreises entsprechen dem Rang des Bauwerks nur in bescheidenem Maße. Deshalb hatte der Initiativkreis Barfüßerkirche zum Podiumsgespräch eingeladen, um Perspektiven des Objektes zu diskutieren und eine mögliche Zementierung des Ist-Zustandes zu verhindern.

In das strategische Kulturkonzept der Landeshauptstadt Zukunft der Kultur – Kultur der Zukunft ist die Barfüßerkirche eingeordnet. Darin heißt es:

„Barfüßerkirche: Bauwerk von nationalem Rang – Nutzungen konzeptionell abstimmen und dem Wirkungspotential des Gebäudes anpassen“.

Aufgaben/Ziele:

  • Fortführung und Abschluss der Sanierung mit BKM-Mitteln, dauerhafte Präsentation des Bauwerkes mit Teilen der Mittelaltersammlung des Angermuseums (Hoher Chor) innerhalb der geltenden Öffnungszeiten;
  • Weiterentwicklung der Nutzung mit dem Ziel, das Gesamtgelände kulturell zu erschließen und die ursprünglichen Bauwerksdimensionen erfahrbar zu machen und ggf. längerfristig die Kubatur des Langhauses wieder zu schließen;
  • Integration von Angeboten in das Netzwerk Stadtgeschichte;
  • Einrichtung eines Dokumentationsraumes zur Darstellung der vormaligen Bedeutung des Bauwerkes als einer der wichtigsten Bettelordensarchitekturen Europas sowie Einbindung in Sonderausstellungen;
  • kurzfristig: Einrichtung einer neuen Erschließung des Hohen Chores für Besucher, Verbesserung der Erlebnisqualität zwischen Innenraum (Hoher Chor) und Außenraum (Langhaus).

Standpunkte, Utopien, Möglichkeiten

Peter Mitsching

Der ehemalige Leiter der Görlitzer Denkmalpflege, der sich in den vergangenen Jahren vehement für den Erhalt der wertvollen historischen Bausubstanz eingesetzt hat und damit das Stadtbild erheblich mit prägte, erläuterte die Arbeitsweise der Altstadtstiftung Görlitz. Die Stadt an der Neiße hatte seit 1995 jährlich die Altstadtmillion eines anonymen Spenders für die Rekonstruktion und Erhaltung historischer Gebäude bekommen. Der Name der Zuwendung leitet sich von den ersten Spendejahren ab. Zu D-Mark-Zeiten betrug die Summe rund eine Million. Zur Verwaltung dieser Summe war die Altstadtstiftung gegründet worden. Sie vergab die Spendensumme an öffentliche, kirchliche und private Bauherren zur Sanierung von unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden.

Seit 1995 sind 1616 Anträge auf Hilfe aus der Altstadtmillion gestellt worden. 1572 Anträge mit einem Gesamtvolumen von 10,7 Millionen Euro waren bewilligt worden.

Unterstützt wurden in den vergangenen Jahren unter anderem Sanierungen von Kirchen in Görlitz, darunter auch die jüngst abgeschlossene Sanierung der St.-Jakobus-Kathedrale. Daneben wurden Arbeiten an der Synagoge, der mittelalterlichen Frauenkirche, am sogenannten Biblischen Haus und am Heiligen Grab mitfinanziert.

Am Beispiel der Rekonstruktion der Görlitzer Synagoge erläuterte Peter Mitsching, wie nach öffentlicher Diskussion eine neue Nutzung- und Zweckbestimmung für die Synagoge erarbeitet wurde, die nun umgesetzt wird. Da es keine jüdische Gemeinde in Görlitz gibt, soll das Gebäude nach abgeschlossener Rekonstruktion als KULTURFORUM GÖRLITZER SYNAGOGE genutzt werden.

Zur Barfüßerkirche erklärte der aus Erfurt stammende Denkmalschützer: „Die Barfüßerkirche ist als Bauwerk von nationalem Rang eingestuft. Da kann man zwar auf Bundesmittel hoffen, diese sollten aber mit konkreten Konzepten und Projekten untersetzt sein. Man muß nachweisen, daß man in der Lage ist, mit diesen Mitteln umzugehen. Das bedeutet nicht nur, den Objekten eine neue Funktion zu geben, sondern auch ihre Einordnung in stadtgeschichtliche und überregionale Zusammenhänge muß überarbeitet werden. So ist man in Görlitz zu der Überlegung gekommen, z. B. die Hallenhäuser nicht nur in Görlitz zu betrachten, sondern im Kontext zur Via Regia die Handelshäuser an dieser Straße zu untersuchen und zu erforschen.

Görlitz will sich mit der VIA REGIA und den Hallenhäusern im Blick als Weltkulturerbe bewerben.

Benjamin Immanuel Hoff

Der Kulturminister ist der Meinung, daß der Barfüßerkirche ein neuer Gebrauchswert, ein Nutzen zugeführt werden muß. Dazu ist eine breite öffentliche Diskussion notwendig, die jetzt begonnen werden muß. Wörtlich sagte er: „Aller Orten treffen wir auf Kulturdenkmäler in Thüringen, die es wert sind, sich um sie zu kümmern. Aber ich glaube, der Wert eines Kulturdenkmals besteht nicht nur in seinem historischen Wert, sondern auch in dem Wert, den wir ihm zuweisen. Ein solches Gebäude ist ja nicht entwickelt worden, um ein Kulturdenkmal zu schaffen, sondern weil es für einen bestimmten Zweck gebraucht wurde – die Synagoge hat einen Gebrauchswert, und auch eine Kirche wird gebaut, weil sie einen Gebrauchswert hat.

Für die Barfüßerkirche stellt sich heute an uns die Frage: Was wollen wir in der Stadt mit dieser Liegenschaft. Das ist ein Thema, das nicht Andreas Bausewein und ich entscheiden werden, sondern das erfordert eine Diskussion, die man öffentlich führen muß.

Die Stadt Erfurt fokussiert sich in den letzten Jahren zunehmend auf Orte, die für die kulturelle Entwicklung der Stadt wichtig sind. Wir wollen, daß Erfurt nicht nur ökonomisch wächst, sondern auch kulturell. Ich will nicht, daß die Leute nur zum Arbeiten in die Stadt  hereinkommen und dann wieder wegfahren. Deshalb muß die Stadt Kulturorte für vielfältige Formen von Unterhaltung haben, aber auch Orte, die darüber hinaus für Veranstaltungen, Kongresse und so weiter zur Verfügung stehen.

Die Barfüßerkirche liegt mitten in der Stadt, und wenn wir die Stadt 10 bis 15 Jahre weiter denken, wird sich die Frage stellen: Gibt es eine sinnvolle Nutzung für diese Liegenschaft jenseits unseres Interesses, sie als Denkmal zu schützen? Fehlt der Stadt etwas und kann sie mit dieser Liegenschaft etwas gewinnen? Können wir über die Idee der Einbindung dieser Liegenschaft in die Stadtentwicklung auch Partner gewinnen, die das unterstützen? Und das ist, glaube ich, die spannende Frage, die wir zu diskutieren haben.“

Folgende Überlegungen setzte der Minister voraus:

Erfurt hat das Augustinerkloster als einen neben der Messe wichtigen Veranstaltungsort für kulturelle Veranstaltungen, der aber räumlich begrenzt ist. Die Stadt verfügt mit der Barfüßerkirche über einen weiteren Ort, der einen ähnlichen Charakter hat, der auch für das  mittelalterliche Erbe dieser Stadt steht und der die Möglichkeit einer neuen Nutzung bietet. Dazu muß die Stadt eine Konzeption entwickeln, die machbar ist.

Wie soll diese Konzeption aussehen?

Es muß eine sich letztlich selbsttragende Konzeption sein, die nicht ausschließlich als öffentlich finanzierte Einrichtung verstanden werden kann, weil das weder die Stadt noch das Land realisieren können. Deshalb ist es notwendig, die Barfüßerkirche in die Stadtentwicklung der kommenden 15 Jahre einzuordnen. Wie wird die Stadt dann aussehen?

Welche Rolle können dabei die Bauhaus-Universität Weimar mit ihren Architekten und Stadtentwicklern sowie die Fachhochschule Erfurt mit ihren Restauratoren übernehmen? Sind solche Objekte wie die Barfüßerkirche für Lehrende und Studierende interessant, hinsichtlich ihrer architektonischen Struktur und in ihrem städtebaulichen Umfeld bearbeitet zu werden? Welche Erfahrungen gibt es mit solchen Orten?

Die von Minister Hoff daraufhin angesprochenen Wissenschaftler der Bauhaus-Universität hätten großes Interesse gezeigt und zugesichert, diesen Stoff in ihre Lehrveranstaltungen aufzunehmen!

Hoff wies auch auf naheliegende Veränderungen hin, die sich aus dem ICE-Knoten für die Stadt ergeben. Schon jetzt gibt es Anfragen zu Messen, die sonst in Kassel oder Fulda stattgefunden haben. Die Veranstalter von Messen in Erfurt suchen für Begleitveranstaltungen auch Orte, die jenseits einer letztlich anonymen Messehalle einen prägnanten Charakter haben. Die Barfüßerkirche hat die Chance, ein solcher Ort zu sein.

Andreas Bausewein

Der Oberbürgermeister führte aus, daß die Barfüßerkirche in das strategische Kulturkonzept der Stadt „Zukunft der Kultur – Kultur der Zukunft“ mit einbezogen ist.

Wörtlich sagte Bausewein: „Wir brauchen ein Konzept für eine dauerhafte Nutzung, aber es muß auch finanziert werden können – mit öffentlichen Mitteln. Aber auch private Quellen sollten angezapft werden. Die Bereitschaft von Menschen, sich mit privatem Geld für kulturelle Einrichtungen zu engagieren, ist im Osten Deutschlands anders entwickelt. Erfurt hat in den letzten Jahren unglaublich viele Fördermittel eingesetzt, aber an privaten Mitteln fehlte es bisher!“

Es gäbe Überlegungen, ein Meister-Eckhart-Zentrum einzurichten, Meister Eckhart sei eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Stadt. Das könnte ein Ansatz sein und daraus wäre dann möglicherweise auch eine entsprechende Nutzung für die Barfüßerkirche abzuleiten.

Den Zeitraum für ein solches Projekt muß man großzügig planen, Bürger und Experten müssen mit einbezogen werden. Die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen sowie entsprechende Angebote bereitzustellen, hält er nicht für so schwer. Dennoch könne die Stadt allein ein solches Konzept nicht tragen.

Fazit

Ein „drittes“ Leben der Barfüßerkirche über eine rein museale Nutzung hinaus ist im 21. Jahrhundert möglich. Als Ort für Begleitveranstaltungen von Messen und Kongressen bietet sich die Barfüßerkirche an.

Dafür muß ein auf lange Zeit angelegtes Konzept erarbeitet und öffentlich diskutiert werden, das in die Stadtplanung integriert werden muß und von zukünftigen Generationen akzeptiert werden kann.

Die Finanzierung eines solchen Projektes sollte zu einem Teil auch aus privaten Mitteln zur Verfügung gestellt werden. Dazu müssen entsprechende Anreize geschaffen und Angebote unterbreitet werden.

Neben der Frage nach einem neuen Nutzungskonzept muß auch eine umfangreiche Aufarbeitung der Geschichte der Barfüßerkirche sowie der Rolle des Erfurter Franziskanerkonvents erfolgen. Sie wirkten in der Stadt und waren gleichzeitig Teil eines großen europaweiten Netzwerkes. Die Sachzeugen ihrer Arbeit sollten im Bauwerk präsent sein.