2013: Erinnerung an Heinz Hajna

Samstag, 09. Februar 2013

Heinz Hajna
Glasmaler und Restaurator
1913 - 1992
Ausstellung im Angermuseum 9. 2. bis 10. 3. 2013

Sein Name ist weitgehend unbekannt. Trotzdem sind die meisten von uns schon seinem Wirken begegnet. Seit 1947 hat Heinz Hajna an fast allen Kirchenfenstern der an mittelalterlicher Glasmalerei so reichen Stadt Erfurt repariert, instandgesetzt und restauriert. Seine Fähigkeiten durfte er an den bedeutendsten Kirchenfenstern im Osten Deutschlands unter Beweis stellen; sein Rat und seine Erfahrungen waren bei den im „Corpus Vitrearum Medii Aevi“ (CVMA) zusammengeschlossenen Glasmalerei-Fachleuten in Europa gefragt. Dabei hielt sich der Meister angesichts der namenlosen Vorbilder im 13., 14. und 15. Jahrhundert stets im Hintergrund. Grund genug für den Initiativkreis Barfüßerkirche, ihm, gemeinsam mit der Evangelischen Predigergemeinde und dem Angermuseum Erfurt anlässlich des 100. Geburtstages eine kleine Ausstellung zu widmen.

In den frühen 60er Jahren restaurierte Hajna die zum Schutz vor Zerstörung im Zweiten Weltkrieg ausgebauten Glasmalereien der Barfüßerkirche, einen der bedeutendsten Schätze der Stadt Erfurt. Ein Jahrzehnt zuvor hatte er aus den Scherben der Chorfenster in der Predigerkirche, die vor der Bombardierung nicht rechtzeitig hatten in Sicherheit gebracht werden können, ein einzigartiges Kunstwerk geschaffen: die Trümmerfenster in der Predigerkirche.

Neben den in seinen letzten Lebensjahren entstandenen Zustandskopien von Glasfenstern aus dem Dom zu Erfurt und anderen Zeugnisse seiner Kunstfertigkeit sind Dokumente und Fotos zu sehen. Eine Vitrine zeigt die 1989 für die Ausstellung „Mittelalterliche Glasmalerei in der DDR” im Angermuseum entstandenen Arbeitsproben zur Erläuterung der Schwarzlotmalerei.

Die Ehrung für Heinz Hajna beginnt am Tag seines 100. Geburtstages, dem 9. Februar 2013, um 15 Uhr mit einer Führung von Frau Dr. Ilsabe Schalldach zu den Trümmerfenstern in der Predigerkirche. Anschließend (ca. 16 Uhr) findet die Ausstellungseröffnung im Angermuseum statt.

Das Faltblatt zur Ausstellung kann als PDF heruntergeladen werden (911 kBytes)

Erinnerung an Heinz Hajna

Rede zur Eröffnung der Ausstellung am 9. Februar 2013
von Karsten Horn

„Die gemalten Fenster, ohne selbige zu zerbrechen, von der Stelle zu nehmen; sie ganz neu in Bley zu legen, ohne das Ganze in Unordnung zu bringen; die kleinen Stücke Glas durch Bley zärtlich, ohne daß man es merkt, mit einander zu verbinden; die zerbrochene durch neue in dem Ton der Vorstellung gemalte Stücke von Glas zu ersetzen; und sie wieder in ihrer alten Ordnung an ihre vorherige Stelle zu bringen; dis vollzog er mit so viel Geschmack als Einsicht, unter der Aufsicht eines Kirchenvorstehers, dessen scharfem Auge nichts entwischen konnte."

So heißt es in der historischen Lobrede auf Peter le Vieil von Monsieur Sabbatier, ins Deutsche übersetzt von Johann Conrad Harrepeter und veröffentlicht in Nürnberg 1779.

1

Ich traf Heinz Hajna vor fast einem Vierteljahrhundert, im Frühsommer 1989, in seiner Werkstatt in der Regierungsstraße.

Dort stand eine lange, vom vielen Gebrauch zerschrundene Werkbank, darunter Paletten mit Glasscheiben unterschiedlichster Färbung, Bleiruten in einer länglichen Kiste. Am Rand der Werkbank war ein uralter Elektromotor angebracht, der über einen breiten ledernen Transmissionsriemen allerlei Maschinen antreiben konnte, deren Bestimmung mir verborgen war. In einer Ecke dampfte der Lötkolben, den der Meister aus der Hand gelegt hatte, um mich einzulassen.

Vor mir stand ein bedächtiger, freundlicher Herr in einem grauen Kittel. Er zeigte mir, womit er gerade beschäftigt war: vermutlich eine der Kopien für den Erfurter Dom, die auch hier in der Ausstellung zu sehen sind, und an denen er um diese Zeit arbeitete. Bescheiden und zurückhaltend sprach er von Schwarzlot und dem Brennvorgang, von Bleinetz und Glasqualitäten ... Ich war fasziniert. Noch nie vorher hatte ich eine Bleiverglasung aus so großer Nähe und so unmittelbar vor mir gesehen.

Im Angermuseum wurde damals die Ausstellung „Mittelalterliche Glasmalerei in der DDR” vorbereitet und man hatte mich geschickt, vom Meister ein didaktisches Modell abzuholen. Es war eine kleine Staffelei mit einer Glasplatte, hinter die ein Stück Pergamentpapier montiert war. Mit kleinen Kittklümpchen klebte der Meister drei Glasstücke darauf, und so war das Ganze dann auch in der Ausstellung zu sehen. Die Staffelei existiert heute noch; nur ist der Kitt mit den Jahren spröde geworden – die drei Glasstücke befinden sich in einer der Ausstellungsvitrinen.

Leider war das meine einzige Begegnung mit Heinz Hajna.

2

Wem ich da begegnet war, habe ich erst viel später begriffen; und dieser Prozeß des Begreifens hält an.

In fast jedem der ostdeutschen Bände des Corpus Vitrearum Medii Aevi, des Inventars der mittelalterlichen Glasmalerei, tauchen – meist an unscheinbarer Stelle im wissenschaftlichen Apparat – Sätze auf wie „seit 1972 wurden die Fenster von Heinz Hajna, Erfurt, restauriert”, oder noch mehr verkürzt „restauriert von Hajna–Erfurt”. Lang ist die Liste seiner Wirkensorte:

Bad Doberan, Basse, Bössow, Bäbelin, Brandenburg: Katharinenkirche, Marienkirche, Erfurt: Augustinerkirche, Barfüßerkirche, Dom, Predigerkirche, Halberstadt: Dom, Kirch Stück, Kloster Zella, Kuhsdorf, Lindena, Merseburg: Dom, Mönchenlohra, Mühlhausen: St. Marien, Kornmarktkirche, Naumburg: Dom Westchor, Oberbösa, Oberndorf, Paretz, Panschwitz-Kuckau, Prag, Salzwedel: St. Marien, St. Katharinen, Schulpforte, Schwerin, Stendal, Wartburg Eisenach, Werden, Wismar, Wünschendorf-Veitsberg.

Welch eine Aufgabe angesichts solcher Notizen wie: „Scheiben in schlimmen Zustand und derart verkrustet, dass die Darstellungen nicht mehr erkennbar sind”! Die Rettung der vom Zweiten Weltkrieg beeinträchtigten Scheiben, die von zunehmender Umweltbelastung zusätzlich bedroht wurden, war dem im böhmischen Reichenberg (Liberec) ausgebildeten Kunstglasermeister zur Lebensaufgabe, die Stadt Erfurt, in die es ihn getrieben hatte, ihm zum Lebensmittelpunkt geworden.

Sein Wirken spricht von größter Zurückhaltung und Bescheidenheit. Nicht von Ungefähr haben wir unser Faltblatt mit dem Satz „Die anonymen Meister der Glasfenster fordern den anonymen Zeitlosgenossen, nicht den Selbstdarsteller” überschrieben. Das hätte sein Lebensmotto sein können. Der mittelalterliche Glasmaler schuf seine Werke in Demut vor dem, der Himmel und Erde gemacht hat. Heinz Hajna arbeitete in doppelter Demut: In Demut auch vor dem Werk seiner Vorgänger fühlte er sich ein in das Gewebe von Blei und farbigen Gläsern.

Er orientierte sich an den überkommenen Proportionen, Formen und ihren subtilen Differenzierungen, Farben und Farbschattierungen. Die ästhetischen und gestalterischen Prinzipien seiner Vorgänger begriff er als medium agens, den Darstellungen einen Sinngehalt zu geben, der aus der Frömmigkeit erwächst, aber weit über die religiöse Gebundenheit ihrer Entstehungszeit hinausweist.

Dieses tiefe Verständnis für die jahrhundertealte Tradition des Malens mit Licht ermöglichte ihm auch dort, wo nichts mehr zu retten schien, eine Wiederherstellung zu wagen.

3

Als Heinz Hajna 1947 nach Thüringen kam, waren die meisten Kirchen ihres gläsernen Schmucks beraubt. Die berühmten Scheiben des Erfurter Augustinerklosters lagerten in Hohenfelden, die Gläser der Barfüßerkirche und die Domfenster in den tiefen Kellern des Dombergs.

Die Chorfenster der Predigerkirche lagen im Schutt!

Tausende Glasscherben sammelte Hajna. Wie sollte man sie wieder zusammenfügen? Mit den Trümmerfenstern der Predigerkirche gelang ihm eine einzigartige Synthese bei der Rettung alter Substanz in neuer Form und der Bewahrung des Überkommenen für die Zukunft.

Dieses Beispiel macht uns Mut. Denn die Schwester der Predigerkirche -- die Erfurter Barfüßerkirche, hat es noch schlimmer getroffen. Zwar sind die Barfüßerfenster  die ältesten Glasmalereien Erfurts  auch dank Hajnas Restaurierung in den 50er und 60er Jahren erhalten, das Gebäude aber, die Ruine der Barfüßerkirche, ist noch eine Wunde in dieser Stadt. Möge es uns also gelingen, auch dafür eine Lösung zu finden, die dem Rang und dem Anspruch der Trümmerfenster gleichkommt. In diesem Bemühen wissen wir uns im Engagement der Erfurter Kulturverwaltung angenommen und werden uns als Bürgerinitiative „Initiativkreis Barfüßerkirche” auch weiterhin aktiv in die Erarbeitung der Nutzungskonzeption einbringen.

Jetzt aber erfreuen wir uns an den Werken, die Heinz Hajna uns hinterlassen hat. Ich möchte nicht versäumen, allen, die am Zustandekommen dieser Ausstellung beteiligt waren, herzlich zu danken, mein besonderer Dank aber gilt Herrn Dr. Karl-Heinz Hajna, ohne dessen Mitwirkung es diese kleine Ausstellung nicht gegeben hätte.